Dienstag, 30. Oktober 2007

Halbzeit

Kurz nach der Rückkehr aus Afrika habe ich mit dem vierten Zyklus der Chemotherapie begonnen. Zurzeit sind die Spuren der Chemie unübersehbar. Sie zeigen ihre Wirkung ungeschminkt und erinnern mich täglich, stündlich, oft auch noch kürzer an die Krankheit. Dann nämlich, wenn
- ich die Knöpfe der Hemden nicht zuknöpfen kann, weil die Fingerspitzen sich dagegen wehren;
- ich einen Reissverschluss nicht hochziehen kann, weil die Kälte des Metalls die Finger kribbeln lassen;
- die Fusssohlen und Handflächen feurige Hitze entfachen und die Seele brennt;
- unzählige Nadelstiche in den Händen die Nacht verkürzen;
- der Griff und das Gewicht der Aktentasche die linke Hand erlahmen lassen;
- wenn der erste Biss zum Stillen des Hungers die Kaumuskulatur erstarren und schmerzen lassen;
- die morgendliche Dusche spätestens beim Abtrocknen mit einer Salve von Nadelstichen am ganzen Körper zur Tortur wird;
- usw., usw., …
dann spüre ich Krankheit. Ich nehme wahr, was nicht mehr geht, zurzeit wenigstens. Ich habe aber die Gewissheit der temporären Belastung. All das wird vorübergehen – im Gegensatz zu andern Menschen, bei denen diese Beschwerden nur der Beginn eines langen Leidenswegs darstellt. Ich schätze mich trotzdem glücklich und zufrieden und will meinen Beitrag zur Besserung auch weiterhin beitragen, wenn gleich auch teilweise die Beschwerden heftiger sind wie gewünscht.

Afrika war total faszinierend, unbeschreiblich, szenisch wild und doch so liebevoll sanft in der Abendsonne. Ich erlebte eine wunderschön intensive Zeit, in der ich ganz und gar bei mir und meiner Familie war, weit weg vom Alltagsgeschehen. Weit weg von der Arbeit und dem, was noch zu tun gewesen wäre. Die Beschwerden begleiteten mich, waren in der Wirkung aber marginal (nebensächlich). Ich kam förmlich voll getankt von Energie, Lebensfülle, Kreativität und Vitalität in die kühlere Schweiz zurück. Heute stehe ich wieder im Alltagsleben und kämpfe mich durch die Unwegsamkeiten der Niederungen. Jeder Tag ist ein Tag näher dem Ende der Therapie. Ich freue mich darauf.

Alles Liebe
Peter

PS: Nächster Blogeintrag – Ende November