Dienstag, 31. Juli 2007

Operation


Die vierstündige Operation (ohne Narkosevorbereitung)ist ohne Komplikationen und OHNE Stoma (künstlicher Darmausgang) gut gegangen! Peter versucht schon wieder Sprüche zu klopfen, welche durch die Nachwirkungen der Medikamente nach einem ersten fünfzehnminütigen Redeversuch kläglich in einem herzhaften Gähnen verstummen. Mit Sicherheit jedoch wird er diese Nacht vom Frühstück träumen. Nach 5-tägiger Saft-Diät wird ihm morgen ein "Weggli" serviert!
Die kompetente fürsorgliche Betreuung durch das IPS-Personal macht uns den Abschied für heute Abend leichter.
Vielen herzlichen Dank an alle, die in Gedanken bei uns waren!!
Familie Fässler

Zwischenbericht

Die Operation ist gut und ohne Probleme verlaufen. Peter ist jetzt auf der Intensiv Station. Mehr Informationen schreibe ich am Abend, wenn ich mein Peter gesehen und gespürt habe.
Maria

Montag, 30. Juli 2007

Count down

Den heutigen Tag erlebe ich als ganz eigenartigen und speziellen Tag. Ich richte mein Gepäck, wie wenn ich ins Ausland reise. Eine Freundin von uns gab mir noch den guten Ratschlag, die Euros nicht mitzunehmen, da ich sie nicht gebrauchen werde. Das zahle ich ihr zurück! Auch den Pass lasse ich zuhause. Die Klinik kennt mich in- und auswendig! Ich war noch in der Praxis und trank mit meinen Kolleginnen und Kollegen einen Kaffee. Mit einem feinen Aperitiv (französischer Rosé aus dem Rhônetal) haben Maria und ich den Count down eingeläutet.

Ich gehe gestärkt und getragen mit vielen guten Wünschen in die nächste Runde und melde mich so bald wie möglich. Maria wird in den nächsten Tagen über den Verlauf der Operation und die Genesung orientieren.

Herzliche Grüsse und bis bald
Euer Peter

Sonntag, 29. Juli 2007

Ungeduld

Die vergangenen 10 Tage waren recht turbulent. Diese Zeit gab mir die Möglichkeit, was ich in jahrelanger Beobachtung und Auseinandersetzung mit betroffenen Menschen gelernt habe, an mir selber zu leben. Die Erfahrung ist unbezahlbar, egal was noch kommen wird. Ich habe meine Anteile der Vorbereitung auf die Operation geleistet, für den Rest bin ich auf die Hilfe der Spezialisten angewiesen. Zu ihnen habe ich volles Vertrauen.

Gestern und heute erlebte ich zwei schöne Tage im Kreise der Familie und mit Freunden zusammen. Sie waren entspannend, heiter, nachdenklich, teils sogar unbeschwert und von vielen (auch) ernsten Diskussionen begleitet. Mit Claudia (unserer ältesten Tochter) und Patrick besuchten wir das Theater Silo 8, Beat (unser Sohn) braute mit seinem Freundeskreis ein hervorragendes Bier (www.overboard.ch.vu) und Edith (unsere Jüngste) brauste mit ihrer 850er Suzuki Entruder an. Ich benützte ihr Fachwissen um noch einige Details für die Anästhesie klären zu können. Diese Tage stärkten. Von mir aus kann die Operation stattfinden. Das Warten auf Dienstag wirkt auf mich eher bremsend.

Samstag, 28. Juli 2007

Ablenkung

Der ständige Fokus auf das, was nicht mehr ist oder nicht mehr geht, beeinflusst die Psyche negativ. Mit Ablenkung meine ich, das Eine zu tun und das Andere nicht zu lassen. Ein Hänger darf sein und die Umgebung soll ihn als solchen auch respektieren lernen. Wichtig ist, aus diesem Tal wieder herauszukommen und das funktioniert in Begleitung oder Gesellschaft sicher besser wie alleine. Mit Ablenkung meine ich nicht Verdrängung.

Der gestrige Opernabend war ein Hit. Tosca sang nicht nur leidenschaftlich, sie liebte auch leidenschaftlich. Es war ein Genuss. Allerdings entschied sich mein Darm noch vor Beginn, die eingenommenen Mittel wirken zu lassen. Das führte dazu, dass ich einen Teil der Oper an einem besonderen Ort verbrachte. Es war zugegenbermassen bezüglich Bequemlichkeit, Ambiance und Preis ein etwas teurer Platz! Aber es tat gut, ich war froh darum und klatschte Tosca am Ende der Aufführung trotzdem frenetisch zu - weshalb auch immer!

Freitag, 27. Juli 2007

Entbehrungen

Gestern noch konnte ich mit dem Thema Essen gut umgehen. Heute macht es mir enorm Mühe. Ich esse gerne, trinke gerne ein Glas Wein dazu und schätze die Geselligkeit sehr. 'Mahl halten' ist etwas sehr Schönes. Es ist nicht ganz einfach, am Tisch sitzend eine Suppe zu löffeln. Zwar weiss ich warum ich das mache und dass es gut ist so (ratio), doch überwiegt für diesmal die Lust. Ich freue mich auf später, wann immer später sein wird. Ganz allgemein sind die Einschränkungen ständige Erinnerungen an das, was anders ist, was zurzeit nicht mehr ist. Das schränkt ein, katapultiert zurück zur Pathologie, behindert die Freuden des Lebens.

Heute Nachmittag fahren wir mit lieben Verwandten nach Bregenz. Die Oper Tosca (Puccini) wird auf der Seebühne gespielt. Ich freue mich darauf. Wichtig war immer das Diner in zwei Akten (Vorspeise und Hauptgang vor der Oper - Nachspeise nach der Oper). Ich werde mich mit meiner Suppe begnügen - zu jedem Gang.

Donnerstag, 26. Juli 2007

Mentale Vorbereitung

Neben der rein operativen Vorbereitung, die ja peinlich genau erfolgt und bei der sich der Operateur sorgfältig über Chancen und Risiken Gedanken macht, gibt es ja die mentale resp. persönliche Vorbereitung des Patienten. Ich stecke mitten drin, weiss aber nicht wirklich wie das vor sich geht. Gute Gedanken, positives Denken usw. sind die Ratschläge. Doch reicht das und ist es das wirklich?

Ich beobachte an mir zurzeit einen besonderen Rhythmus. Frühmorgens bin ich topfit und strotze vor Tatendrang. Ich packe im Verlaufe des Vormittags die heiklen Fragen an und setze mich damit auseinander. Am Nachmittag erfolgt ein Durchhänger mit wirren und konfusen Gedanken. Ich finde einen Weg aus diesem Tal und gestalte einen guten Abend. Mit überzeugenden Gefühlen gehe ich in die Nacht. Diesen Rhythmus beobachte ich nun seit Beginn der Diagnose. Ich gehe davon aus, dass das auch für die nächsten Tage so bleiben wird. Für den 31. Juli würde dies bedeuten, dass ich kurz nach der Operation (also am Nachmittag) einen Durchhänger erleben könnte. Dann bräuchte ich am kommenden Dienstagnachmittag intensivste Unterstützung. Ich werde mich weiter beobachten und mit Maria zusammen den postoperativen Prozess des Erwachens, des Zurückfindens zu meiner neuen Wirklichkeit (ev. Stoma etc.) vorbereiten.

Euch allen danke ich herzlich für die bisherige Unterstützung, die mir auch für die absehbare Zukunft gewiss ist. Schön, dass ihr mich unterstützt. Danke!

Mittwoch, 25. Juli 2007

Kapriolen

Mittwoch, 25. Juli 2007: Der heutige Vormittag stand im Zeichen einer unglaublichen Fülle an Wünschen, Wertschätzung, Zuwendungen und guten Gedanken. Es tut so gut, Menschen in ihrem Sein zu spüren, Anteilnahme zu erkennen und die Hilflosigkeit als Solidarität zu empfinden. Tausend Dank dafür. Offenbar erhielten einige von Euch Mehrfachmails, was ich sehr bedaure.

Nach dem Mittagessen (ich legte mich kurz nieder) wurde es mir schlagartig übel und ich übergab mich (erbärmlich). Mein Bauch fühlte sich nicht gut an, Unsicherheit und Angst war die Reaktion. Ein Röntgen zeigte denn auch, dass oberhalb des Engpasses der Dickdarm voll ist und nun auf irgend eine Art noch entleert werden muss. Ich steige nun auf Flüssigkeit (Suppen) um! Das ist nicht zwingend mein Hobby, aber wenn es sein muss, dann halt! An meiner Grundhaltung, mein Leben bis zur Operation trotzdem normal zu leben, werde ich indes nichts ändern. Emotional bin ich sehr zuversichtlich gestimmt. Es ist nicht Zwangsoptimismus, es ist in meinem tiefsten Innern so und ich freue mich auf die Operation.

Dienstag, 24. Juli 2007

Computertomographie

Dienstag, 24. Juli 2007: Die letzte Nacht erlebte ich schlecht. Viele Gedanken durchzogen meinen Kopf, draussen fegte ein heftiges Gewitter über Winterthur. Die Stimmung draussen entsprach den Stürmen in mir. 'Habe ich Metastasen - ja oder nein', das ist die einzige Frage, die mich interessiert Ich erscheine nüchtern zum CT, zeige mich nach aussen wie immer, spüre aber deutlich unsichere Schritte. Eine Stunde später sehe ich die Bilder: die Ärztin zeigt mir die Schnitte und erläutert, dass sie keine Metastasen findet. Die Sigmastenose hingegen ist ausgeprägt erkennbar, die Beschwerden sind erklärbar, der operative Eingriff zwingend und die nachfolgende Histologie zur Bestimmung des weiteren Vorgehens absolut notwendig.

Ein Spiel zwischen Licht und Schatten. Es gibt ein ungemein starkes Gefühl, in der eigenen Familie gestützt und getragen zu sein. Die Kinder mit ihren Partnern sind da und Freunde kümmern sich um uns. Wir erleben Stimmungen, die Momente des Lebens zu Wechselbädern verwandeln: auf Trauer folgt Heiterkeit, auf Lust Frust, auf Wehmut Trotz, auf Resignation Widerstand - die Pole wechseln sich ab. Es ist unglaublich, in welchem Tempo sich Licht und Schatten jagen.

Aufklärung

Montag, 23. Juli 2007: Äusserst sorgfältig und hochkompetent orientiert mich der Chirurge über die Ausgangslage, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Die Operation wird auf Dienstag, den 31. Juli 2007 angesetzt. Er nimmt ein weisses Blatt Papier und beginnt farbig unterschiedlich den operativen Eingriff schrittweise und in einer völlig verständlichen Sprache aufzuzeichnen. Meine Fragen beantwortet er sachlich, klar, kompetent und so detailliert, wie ich es mir wünsche. Er orientiert mich ebenso über die möglichen Risiken und die Art und Weise, wie er darauf reagieren wird. Ich fühle mich sicher, in guten Händen. Es wird noch ein Blutuntersuch und ein CT vereinbart. Die Anmeldung an die Klinik erfolgt noch gleichentags. Die Termine in meiner Praxis setze ich für den Monat August aus.

Alle Ärzte, mit denen ich es zu tun habe, sind mir von meiner Tätigkeit her gut bekannt und vertraut, mit den meisten von ihnen bin ich per Du und freundschaftlich verbunden. Das erleichtert mir meine Situation sehr.

Bestätigung

Freitag, 20. Juli 2007: Mein Arzt ruft mich an und bittet um eine drigende Besprechung. Wir vereinbaren noch am gleichen Tag einen Termin zusammen mit meiner Frau. Da sitzen wir, noch etwas ungläubig und trotzdem erschüttert. Er erklärt uns eindringlich den Ernst der Situation und rät uns so oder so zu einer sofortigen Operation. Wir besprechen die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und übernehmen die Verantwortung, uns einen Chirurgen zu suchen. Er selber kann uns infolge Ferienabwesenheit nur noch bedingt helfen. Am gleichen Abend finde ich durch die Mithilfe eines befreundeten Anästhesisten meinen Wunschchirurgen. Wir vereinbaren eine erste Besprechung auf den Montagmorgen.

Die Konkretisierung und die Dringlichkeit erhöht die Welt der Gefühle rasant. Es steht uns ein turbulentes Wochenende bevor - eine Achterbahn der Gefühle.

Erstuntersuchung

Es ist Donnerstag, der 19. Juli 2007. Ein Routineuntersuch meines Dickdarms zeigt eine Sigmastenose erheblichen Ausmasses (T4). Es wurden 12 Biopsien entnommen und für die Histologie ins Labor geschickt. Die Mimik meines Arztes war deutlich, das was ich selber gesehen und noch kurz mit ihm besprochen habe genau so. Wir reden von einer krebsartigen Entartung in einem erheblichen Ausmass. Mit einem unsicheren Gefühl fahre ich mit dem Fahrrad nach Hause. Wirre Gedanken ziehen durch meinen Kopf. Ich arbeite zurzeit an einem Buch zum Thema "Über den Schatten springen - von der Entwirrung einer Krankheit durch Begegnung". Hauptthemen dieser Publikation sind die Übermittlung einer schlechten Nachricht, der Umgang des Arztes mit dem Patienten und die Breite Reaktionswelt der Gefühle. Meine Welt steht Kopf - kein Stein steht mehr auf dem andern!