Donnerstag, 15. November 2007

Entscheidung

Die letzten sieben Tage waren gezeichnet durch eine intensive Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Berichten und den Auswirkungen des Hand-Fuss-Syndroms. Dieses hat unsägliche Ausmasse angenommen. Nach allen Abklärungen und Gesprächen halte ich fest, dass
- es keine Studie gibt die belegt, dass vier Zyklen Chemotherapie eine schlechtere Ausgangslage ausweisen wie sechs Zyklen;
- es unwahrscheinlich ist, dass eine Krankheit als solche durch die Psyche positiv oder negativ beeinflusst werden kann;
- die Psyche die Art des Umgangs mit der Krankheit beeinflusst;
- meine kurative Ausgangslage als hervorragend zu bezeichnen ist und ich medizinisch gesehen eigentlich als gesund gelte.
Die Nebenwirkungen machen krank. Sie beeinträchtigen nicht meine Lebensqualität sondern behindern mich aktiv am Leben teilzuhaben. Ich vegetiere und nimm mich als Mitglied eines geriatrischen Zentrums wahr. Ich kann mich selber weder ausziehen noch ankleiden, jeder Handgriff schmerzt, die Müdigkeit ist enorm.
Wohl habe ich den letzten Rest an Humor noch nicht verloren. Es fällt aber zunehmend schwer an Heilung zu glauben, wenn Krankheit zelebriert wird. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile habe ich folgende Entscheidung getroffen:

Ich beendige den therapeutischen Prozess (Eloxatin i.v./Xeloda per os) und verzichte auf den fünften und sechsten Zyklus.

Diese Entscheidung führte zu einer Befreiung. Ich fühle mich gut, beseelt durch ein inneres Glücksgefühl. Ich habe die Klinik heute mit erhobenem Haupt verlassen und suche den Weg zurück zu meinem Leben.

Schneebedeckte Fahrbahnen und ein grau verhangener Himmel kündigten den heutigen Tag an. Es war kalt und unfreundlich. Gegen Mittag durchbrachen Sonnenstrahlen die Wolkendecke und färbten den Schnee wohlig ein. Ich bin und will sein – ich freue mich an den Schönheiten dieses Lebens.

Alles Liebe
Peter

Donnerstag, 8. November 2007

Zwischenbilanz

Zugegeben, der jetzige Blogeintrag wird etwas überraschend sein. Ich halte ihn indes für unumgänglich.

Ich habe den vierten Zyklus abgeschlossen und stehe wohl an einem Punkt, an dem ich nach sorgfältiger Reflexion eine Entscheidung zu treffen habe. Den Prozess dieser Entscheidung möchte ich auflisten:
Ich freute mich auf die Chemotherapie, die mir eine Erhöhung der rückfallfreien Zeit während der ersten fünf Jahre nach Beginn der Therapie von 64% auf 77% ermöglicht. Das ist nicht unwesentlich. In der Entwicklung der Therapie zeigte sich schon bald, dass die Nebenwirkungen Einfluss auf die Lebensqualität haben werden. Zurzeit ist es so, dass die Hände und Füsse brennen, mir keinen auch nur einigermassen vernünftigen Alltagsablauf ohne massive Schmerzen ermöglichen. Reibe ich die Hände, dann erhalte ich Linderung für genau 10 Sekunden, um danach für Minuten mit noch brennenderen Händen bestraft zu werden. Die Therapie, der gegenüber ich mich sehr positiv eingestellt hatte, verändert plötzlich ihr Gesicht. Sie wird zu einem Gegenspieler. Wir reden immer von Einschränkung der Lebensqualität. Was ich zurzeit wahrnehme ist eine Verhinderung am Leben. Diese gravierende Veränderung hat psychische Auswirkungen. Ich fühle mich wie ein Ur-Veteran (so über 90), bei noch keinen 60! Natürlich weiss ich (intellektuell), dass dieser Zustand vorübergehender Natur ist. Nur als Patient erlebe ich ihn jetzt, stündlich oder pointierter formuliert: jede Minute.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Psyche die Krankheitsentwicklung beeinflusst, dann stehe ich vor der Entscheidung, wie ich weiter tun will. Die Abwehr gegen Xeloda (verantwortlich für dieses Hand-Fuss-Syndrom) ist für mich stärker geworden wie der vermeintliche Nutzen des Medikamentes. So stehen mir folgende Möglichkeiten zur Entscheidung offen:
- Reduktion von Xeloda;
- Therapie nur mit Eloxatin iv.;
- Umstieg auf FOLFOX4;
- Abbruch der Therapie.
Mit entscheidend ist auch die Ausgangslage: linksseitiges Kolon bis 35 cm ist entfernt, T3 Stadium (T4 = max.); Histologischer Grad 1-2 (3 = max.), Metastase in 1 von 18 tumornahen Lymphknoten, vier tumorfreie tumorferne Lymphknoten. Die Resektionsränder sind tumor-, divertikel- und entzündungsfrei, keine Fernmetastase (Becken, Leber, Milz, Lunge usw.).

So: ich weiss, was ich in den kommenden Tagen zu tun habe. Ich darf auf eine sehr herzliche, liebevolle, ehrliche und fachlich hochkompetente Unterstützung aller Menschen in meinem Umfeld zählen und werde meine Entscheidung in aller Ruhe im Verlaufe der nächsten zehn Tage fällen.

Der Herbstwind wirbelt die farbigen Blätter durch unseren neu erstellen Garten. Die Vögel erfreuen sich einer kernigen Zwischenmahlzeit in ihrem Vogelhaus, die Wolken spielen mit der Sonne und dem Mond und lassen sich winterlich einfärben. Ich liebe diese Stimmungsbilder und freue mich auf den Frühling. Noch aber sitze ich am wärmenden Kaminfeuer.

Alles Liebe
Peter

Dienstag, 30. Oktober 2007

Halbzeit

Kurz nach der Rückkehr aus Afrika habe ich mit dem vierten Zyklus der Chemotherapie begonnen. Zurzeit sind die Spuren der Chemie unübersehbar. Sie zeigen ihre Wirkung ungeschminkt und erinnern mich täglich, stündlich, oft auch noch kürzer an die Krankheit. Dann nämlich, wenn
- ich die Knöpfe der Hemden nicht zuknöpfen kann, weil die Fingerspitzen sich dagegen wehren;
- ich einen Reissverschluss nicht hochziehen kann, weil die Kälte des Metalls die Finger kribbeln lassen;
- die Fusssohlen und Handflächen feurige Hitze entfachen und die Seele brennt;
- unzählige Nadelstiche in den Händen die Nacht verkürzen;
- der Griff und das Gewicht der Aktentasche die linke Hand erlahmen lassen;
- wenn der erste Biss zum Stillen des Hungers die Kaumuskulatur erstarren und schmerzen lassen;
- die morgendliche Dusche spätestens beim Abtrocknen mit einer Salve von Nadelstichen am ganzen Körper zur Tortur wird;
- usw., usw., …
dann spüre ich Krankheit. Ich nehme wahr, was nicht mehr geht, zurzeit wenigstens. Ich habe aber die Gewissheit der temporären Belastung. All das wird vorübergehen – im Gegensatz zu andern Menschen, bei denen diese Beschwerden nur der Beginn eines langen Leidenswegs darstellt. Ich schätze mich trotzdem glücklich und zufrieden und will meinen Beitrag zur Besserung auch weiterhin beitragen, wenn gleich auch teilweise die Beschwerden heftiger sind wie gewünscht.

Afrika war total faszinierend, unbeschreiblich, szenisch wild und doch so liebevoll sanft in der Abendsonne. Ich erlebte eine wunderschön intensive Zeit, in der ich ganz und gar bei mir und meiner Familie war, weit weg vom Alltagsgeschehen. Weit weg von der Arbeit und dem, was noch zu tun gewesen wäre. Die Beschwerden begleiteten mich, waren in der Wirkung aber marginal (nebensächlich). Ich kam förmlich voll getankt von Energie, Lebensfülle, Kreativität und Vitalität in die kühlere Schweiz zurück. Heute stehe ich wieder im Alltagsleben und kämpfe mich durch die Unwegsamkeiten der Niederungen. Jeder Tag ist ein Tag näher dem Ende der Therapie. Ich freue mich darauf.

Alles Liebe
Peter

PS: Nächster Blogeintrag – Ende November

Sonntag, 30. September 2007

Ende der zweiten Chemotherapie

Die Angewöhnung an die regelmässige Einnahme der Medikamente erlebe ich weiterhin als gewöhnungsbedürftig. Interessanterweise verstärkt nur schon der Anblick der Tabletten die dadurch erworbenen Nebenwirkungen. Allerdings sind sie nicht allzu intensiv.
Neuropathie Grad 1: Das Kribbeln der Finger, ausgelöst vor allem durch die Berührung von kalten Gegenständen oder frühmorgens kurz nach dem Aufstehen, ist mehr als nur unangenehm. Es ist störend und teilweise recht schmerzhaft.
Hand-Fuss-Syndrom: Die Innenseite der Hände verfärbt sich rötlich und reagiert auf Druck empfindlich bis schmerzhaft. An den Fersen entstehen Blasen, die aufbrechen und das Gehen erschweren. Meine intensiven Waldspaziergänge habe ich mittlererweile stark reduziert.
Antriebsarmut: Die ersten Tage nach der Gabe von Eloxatin i.v. (Infusionstherapie) fehlt der Antrieb. Vieles wirkt schwerer oder mühsamer oder so, wie wenn ich mit angezogener Handbremse bergwärts fahren würde.
Erschöpfungstendenz: Die ersten 14 Tage des dreiwöchigen Zyklus zeigen eine Müdigkeit, die mich früh zu Bett treibt. Ein Freund von mir meint, dass diese Erschöpfung vergleichbar ist mit dem Erbringen von hohen Leistungen auf 4000 Meter über Meer.

Soviel zum Gejammer! Positiv zu berichten ist, dass die Werte extrem gut sind (Hb 14,5, Leukozyten 3.94, Thrombozyten 189) - und dies Ende der zweiten Chemophase. Grundsätzlich geht es mir allgemein sehr gut und ich bin auch guten Mutes. In der chemofreien Woche spüre ich wieder jene Lebenslust, auf die ich nicht verzichten möchte. Nach wie vor esse ich gerne und trinke auch gerne ein Glas Wein dazu. Das Gewicht hält sich stabil und die Obstipation ist im Griff. Auch beginne ich wieder in jener Kreativität und Vitalität zu denken, die mir eigen ist und aus der heraus doch schon manch gelungenes Projekt resultierte. Allerdings sind die physischen Aufwendungen dazwischen schon noch hinterlich. In einer Woche fliegen wir nach Afrika in die Ferien. Ich freue mich darauf. Euch allen wünsche ich einen wunderschönen Herbstanfang.

Herzlich Peter

PS: der nächste Blog erscheint Ende Oktober

Montag, 3. September 2007

Erste Erfahrungen

In der Nacht vor der ersten Chemotherapie war ich unruhig. Diffuse Gedanken durchstreiften meinen Kopf und liessen mir wenig Schlaf. Die Begegnung mit dem Onkologen war gut und er nahm mir mit seiner offenen, unkomplizierten und direkten Art auch viele Unsicherheiten. Diese waren vorhanden, wirr, unstrukturiert und mit einer ordentlichen Portion Unwohlsein behaftet.

Meine körperlichen Reaktionen halten sich zurzeit in erträglichen Grenzen. Die Fingerkuppen reagieren auf kalte Gegenstände wie wenn ich Trockeneis berühre. Die Verstopfung wirkt sich unangenehm aus, hemmend, blockierend. Zudem fühle ich mich müde und lege immer wieder Pausen ein. Diese Antriebsarmut und Lustlosigkeit kannte ich bisher nicht. Als eingeschränkt erlebe ich die Mobilität, Kreativität und Vitalität. Diesen Einschränkungen zu begegnen ist spannend und führt zur Beobachtung, dass es gar nicht so einfach ist, die innere Trägheit zu überlisten oder zu überwinden – Konsequenz, Hartnäckigkeit und Überzeugung sind die Mittel dazu.

Herzlich
Peter

PS: Der nächste Blog wird (wenn nichts dazwischen kommt) Ende September erscheinen.

Sonntag, 12. August 2007

Nachlese

Die letzten vier Wochen waren in der Kompaktheit wohl einzigartig in meinem Leben. In der Fülle, in der Breite, in den Extremen sind sie kaum mehr zu überbieten. Vieles hat sich durch den guten Biobspiebericht relativiert, die Spuren aber bleiben. Und Spuren gibt es viele. Sie aufzuarbeiten und in mein Leben zu integrieren wird die Arbeit der unmittelbaren Zukunft sein. Es folgt nun eine Zeit des Durchhaltens. Ihr werde ich mich stellen.

Zutiefste Dankbarkeit spüre ich all jenen gegenüber, die mir in den letzten Wochen mit persönlichen Kontakten, Telefonaten, SMS, E-Mails usw. Mut gemacht haben. Ich erhielt nicht einen einzigen Ratschlag, dafür viele sehr persönliche Informationen. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Danken möchte ich auch den involvierten Ärzten und Pflegenden. Sie leisteten eine grosse, von sehr viel Nähe und Wärme getragene Arbeit und respektierten meine Art des Seins. Sie akzeptierten meine Ressourcen und bauten sie in ihr Handeln ein.

Danken möchte ich auch meiner Familie, meiner Frau, meinen Kindern und ihren Partnern, die mich in dieser schwierigen Zeit getragen und ausgehalten haben. Ich spürte, was ich immer schon wusste: ein tragfähiges, stabiles Netz unter meinen Füssen!

Mit der Chemotherapie beginne ich am 24. August. Sie dauert bis und mit 7. Dezember. Ich erlaube mir, jeweils Ende eines Monats einen "Stimmungs-Blog" zu formulieren, um Euch auf dem Laufenden zu halten. Euch allen wünsche ich von ganzem Herzen einen guten, erholsamen, stärkenden und gesunden Sommer 2007.

Herzlich
Euer Peter

Mittwoch, 8. August 2007

5 vor 12

Der Biopsiebericht liegt vor. Als ich den Brief aus dem Briefkasten zog, hämmerte meine Herz in einer deutlich höheren Kadenz. Mit einem tiefen Atemzug las ich, dass lediglich eine der vielen untersuchten Lymphknoten befallen ist. Das wiederum heisst Chemotherapie, worauf ich mich aufgrund der bekannten Fakten bereits eingestellt hatte. Die Ausgangslage indes ist ohne allzu euphorisch zu wirken doch viel besser wie erwartet. Ich las den Bericht drei-, viermal. Es dauerte eine Weile, bis mein Herz wieder normal schlug. Dann allerding holte ich eine Flasche Weisswein aus dem Keller und meine Frau und ich stiessen auf diese relativ gute Nachricht an. Ich bin ehrlich froh darüber und habe auch bereits die Termine für die Chemotherapie bis Ende Jahr festgelegt.

Fünf vor Zwölf war es in zweifacher Hinsicht: Zum einen entging ich nur knapp einem Darmverschluss und zum andern expandierte der Tumor noch nicht! Von der Operation habe ich mich sehr gut erholt und strotze vor Tatendrang. Ich werde am Wochenende eine Nachlese formulieren und dann auch schreiben, wie es weitergehen wird.

Samstag, 4. August 2007

wieder zu Hause

Gestern erhielt ich die Bestätigung, dass es sich um ein Karzinom handelt. Die Biopsie ist aber nicht vor Mittwoch vorhanden. Alles weitere also danach. Mein Chirurge, zu dem sich ein herzliches Verhältnis entwickelt hat, teilte meine Ansicht, dass es zur seelischen Gesundung auch eine entsprechende Umgebung braucht. Ich bin nun wieder zuhause und genoss die wunderschöne Aussicht im Garten über die Stadt Winterthur. Sie versinkt, geschützt von kleineren, bewaldeten Hügeln in einem Meer von Bäumen. Sie wird zu Recht auch als Gartenstadt bezeichnet. Ich sitze im Garten und sehe meine Stadt in allen Farben und Formen. Ich sitze dort, wo so manche Idee geboren und entwickelt wurde. Ein leiser Luftzug streicht über die Wangen und die Strahlen der Sonne wärmen mein Gesicht. Maria und ich, wir lieben diesen Garten, ein Ort der Ruhe, der Weite und des Seins.

PS: Der nächste Eintrag erfolgt am Mittwoch oder Donnerstag.

Freitag, 3. August 2007

Ruhetag

Es ist der dritte Tag nach der Operation. Noch bin ich etwas wackelig auf den Beinen, im Grossen und Ganzen jedoch entwickelt sich meine Genesung sehr zufriedenstellen. Der zentrale Venenkatheter wurde gezogen, ebenso der Blasenkatheter. Ich erhalte ein völlig neues Gefühl von Autonomie. Keine Verkabelung mehr. Auch die Mahlzeiten kann ich wieder wie gewohnt (also keine Schonkost mehr) zu mir nehmen. Am Nachmittag heiratete Irene (ein Patenkind von mir). Ich liess es mir nicht nehmen, zusammen mit Maria mit dem Bus in die Stadt zu fahren und die Hochzeitsgesellschaft nach der Trauung beim Apéro zu überraschen. Danach kehrte ich in mein Zimmer zurück und fragte mich allen Ernstes, wie lange ich wohl noch hier Zeit verbringen werde. Ich kläre diese Frage heute Abend mit meinem Chirurgen.

Donnerstag, 2. August 2007

zurück im Zimmer

Auf der Intensivstation fühlte mich total aufgehoben, kompetentes Personal und sehr aufmerksame Betreuung. Jetzt bin ich wieder auf der Abteilung, wo es nicht minder qualifiziert zu und her geht. Der Patient ist hier Mittelpunkt. Der persönliche Spielraum ist recht gross und die Einschränkungen erklärt und begründet. Sie sind akzeptabel und halten sich in Grenzen. Ich fühle mich noch etwas 'plemplem'. Das kommt vom Temesta von letzter Nacht. Ich treffe nicht alle Knöpfe auf der Tastatur - auch in slow motion nicht! Aber es geht mir gut und zu jammern habe ich definitiv nichts.

Dienstag, 31. Juli 2007

Operation


Die vierstündige Operation (ohne Narkosevorbereitung)ist ohne Komplikationen und OHNE Stoma (künstlicher Darmausgang) gut gegangen! Peter versucht schon wieder Sprüche zu klopfen, welche durch die Nachwirkungen der Medikamente nach einem ersten fünfzehnminütigen Redeversuch kläglich in einem herzhaften Gähnen verstummen. Mit Sicherheit jedoch wird er diese Nacht vom Frühstück träumen. Nach 5-tägiger Saft-Diät wird ihm morgen ein "Weggli" serviert!
Die kompetente fürsorgliche Betreuung durch das IPS-Personal macht uns den Abschied für heute Abend leichter.
Vielen herzlichen Dank an alle, die in Gedanken bei uns waren!!
Familie Fässler

Zwischenbericht

Die Operation ist gut und ohne Probleme verlaufen. Peter ist jetzt auf der Intensiv Station. Mehr Informationen schreibe ich am Abend, wenn ich mein Peter gesehen und gespürt habe.
Maria

Montag, 30. Juli 2007

Count down

Den heutigen Tag erlebe ich als ganz eigenartigen und speziellen Tag. Ich richte mein Gepäck, wie wenn ich ins Ausland reise. Eine Freundin von uns gab mir noch den guten Ratschlag, die Euros nicht mitzunehmen, da ich sie nicht gebrauchen werde. Das zahle ich ihr zurück! Auch den Pass lasse ich zuhause. Die Klinik kennt mich in- und auswendig! Ich war noch in der Praxis und trank mit meinen Kolleginnen und Kollegen einen Kaffee. Mit einem feinen Aperitiv (französischer Rosé aus dem Rhônetal) haben Maria und ich den Count down eingeläutet.

Ich gehe gestärkt und getragen mit vielen guten Wünschen in die nächste Runde und melde mich so bald wie möglich. Maria wird in den nächsten Tagen über den Verlauf der Operation und die Genesung orientieren.

Herzliche Grüsse und bis bald
Euer Peter

Sonntag, 29. Juli 2007

Ungeduld

Die vergangenen 10 Tage waren recht turbulent. Diese Zeit gab mir die Möglichkeit, was ich in jahrelanger Beobachtung und Auseinandersetzung mit betroffenen Menschen gelernt habe, an mir selber zu leben. Die Erfahrung ist unbezahlbar, egal was noch kommen wird. Ich habe meine Anteile der Vorbereitung auf die Operation geleistet, für den Rest bin ich auf die Hilfe der Spezialisten angewiesen. Zu ihnen habe ich volles Vertrauen.

Gestern und heute erlebte ich zwei schöne Tage im Kreise der Familie und mit Freunden zusammen. Sie waren entspannend, heiter, nachdenklich, teils sogar unbeschwert und von vielen (auch) ernsten Diskussionen begleitet. Mit Claudia (unserer ältesten Tochter) und Patrick besuchten wir das Theater Silo 8, Beat (unser Sohn) braute mit seinem Freundeskreis ein hervorragendes Bier (www.overboard.ch.vu) und Edith (unsere Jüngste) brauste mit ihrer 850er Suzuki Entruder an. Ich benützte ihr Fachwissen um noch einige Details für die Anästhesie klären zu können. Diese Tage stärkten. Von mir aus kann die Operation stattfinden. Das Warten auf Dienstag wirkt auf mich eher bremsend.

Samstag, 28. Juli 2007

Ablenkung

Der ständige Fokus auf das, was nicht mehr ist oder nicht mehr geht, beeinflusst die Psyche negativ. Mit Ablenkung meine ich, das Eine zu tun und das Andere nicht zu lassen. Ein Hänger darf sein und die Umgebung soll ihn als solchen auch respektieren lernen. Wichtig ist, aus diesem Tal wieder herauszukommen und das funktioniert in Begleitung oder Gesellschaft sicher besser wie alleine. Mit Ablenkung meine ich nicht Verdrängung.

Der gestrige Opernabend war ein Hit. Tosca sang nicht nur leidenschaftlich, sie liebte auch leidenschaftlich. Es war ein Genuss. Allerdings entschied sich mein Darm noch vor Beginn, die eingenommenen Mittel wirken zu lassen. Das führte dazu, dass ich einen Teil der Oper an einem besonderen Ort verbrachte. Es war zugegenbermassen bezüglich Bequemlichkeit, Ambiance und Preis ein etwas teurer Platz! Aber es tat gut, ich war froh darum und klatschte Tosca am Ende der Aufführung trotzdem frenetisch zu - weshalb auch immer!

Freitag, 27. Juli 2007

Entbehrungen

Gestern noch konnte ich mit dem Thema Essen gut umgehen. Heute macht es mir enorm Mühe. Ich esse gerne, trinke gerne ein Glas Wein dazu und schätze die Geselligkeit sehr. 'Mahl halten' ist etwas sehr Schönes. Es ist nicht ganz einfach, am Tisch sitzend eine Suppe zu löffeln. Zwar weiss ich warum ich das mache und dass es gut ist so (ratio), doch überwiegt für diesmal die Lust. Ich freue mich auf später, wann immer später sein wird. Ganz allgemein sind die Einschränkungen ständige Erinnerungen an das, was anders ist, was zurzeit nicht mehr ist. Das schränkt ein, katapultiert zurück zur Pathologie, behindert die Freuden des Lebens.

Heute Nachmittag fahren wir mit lieben Verwandten nach Bregenz. Die Oper Tosca (Puccini) wird auf der Seebühne gespielt. Ich freue mich darauf. Wichtig war immer das Diner in zwei Akten (Vorspeise und Hauptgang vor der Oper - Nachspeise nach der Oper). Ich werde mich mit meiner Suppe begnügen - zu jedem Gang.

Donnerstag, 26. Juli 2007

Mentale Vorbereitung

Neben der rein operativen Vorbereitung, die ja peinlich genau erfolgt und bei der sich der Operateur sorgfältig über Chancen und Risiken Gedanken macht, gibt es ja die mentale resp. persönliche Vorbereitung des Patienten. Ich stecke mitten drin, weiss aber nicht wirklich wie das vor sich geht. Gute Gedanken, positives Denken usw. sind die Ratschläge. Doch reicht das und ist es das wirklich?

Ich beobachte an mir zurzeit einen besonderen Rhythmus. Frühmorgens bin ich topfit und strotze vor Tatendrang. Ich packe im Verlaufe des Vormittags die heiklen Fragen an und setze mich damit auseinander. Am Nachmittag erfolgt ein Durchhänger mit wirren und konfusen Gedanken. Ich finde einen Weg aus diesem Tal und gestalte einen guten Abend. Mit überzeugenden Gefühlen gehe ich in die Nacht. Diesen Rhythmus beobachte ich nun seit Beginn der Diagnose. Ich gehe davon aus, dass das auch für die nächsten Tage so bleiben wird. Für den 31. Juli würde dies bedeuten, dass ich kurz nach der Operation (also am Nachmittag) einen Durchhänger erleben könnte. Dann bräuchte ich am kommenden Dienstagnachmittag intensivste Unterstützung. Ich werde mich weiter beobachten und mit Maria zusammen den postoperativen Prozess des Erwachens, des Zurückfindens zu meiner neuen Wirklichkeit (ev. Stoma etc.) vorbereiten.

Euch allen danke ich herzlich für die bisherige Unterstützung, die mir auch für die absehbare Zukunft gewiss ist. Schön, dass ihr mich unterstützt. Danke!

Mittwoch, 25. Juli 2007

Kapriolen

Mittwoch, 25. Juli 2007: Der heutige Vormittag stand im Zeichen einer unglaublichen Fülle an Wünschen, Wertschätzung, Zuwendungen und guten Gedanken. Es tut so gut, Menschen in ihrem Sein zu spüren, Anteilnahme zu erkennen und die Hilflosigkeit als Solidarität zu empfinden. Tausend Dank dafür. Offenbar erhielten einige von Euch Mehrfachmails, was ich sehr bedaure.

Nach dem Mittagessen (ich legte mich kurz nieder) wurde es mir schlagartig übel und ich übergab mich (erbärmlich). Mein Bauch fühlte sich nicht gut an, Unsicherheit und Angst war die Reaktion. Ein Röntgen zeigte denn auch, dass oberhalb des Engpasses der Dickdarm voll ist und nun auf irgend eine Art noch entleert werden muss. Ich steige nun auf Flüssigkeit (Suppen) um! Das ist nicht zwingend mein Hobby, aber wenn es sein muss, dann halt! An meiner Grundhaltung, mein Leben bis zur Operation trotzdem normal zu leben, werde ich indes nichts ändern. Emotional bin ich sehr zuversichtlich gestimmt. Es ist nicht Zwangsoptimismus, es ist in meinem tiefsten Innern so und ich freue mich auf die Operation.

Dienstag, 24. Juli 2007

Computertomographie

Dienstag, 24. Juli 2007: Die letzte Nacht erlebte ich schlecht. Viele Gedanken durchzogen meinen Kopf, draussen fegte ein heftiges Gewitter über Winterthur. Die Stimmung draussen entsprach den Stürmen in mir. 'Habe ich Metastasen - ja oder nein', das ist die einzige Frage, die mich interessiert Ich erscheine nüchtern zum CT, zeige mich nach aussen wie immer, spüre aber deutlich unsichere Schritte. Eine Stunde später sehe ich die Bilder: die Ärztin zeigt mir die Schnitte und erläutert, dass sie keine Metastasen findet. Die Sigmastenose hingegen ist ausgeprägt erkennbar, die Beschwerden sind erklärbar, der operative Eingriff zwingend und die nachfolgende Histologie zur Bestimmung des weiteren Vorgehens absolut notwendig.

Ein Spiel zwischen Licht und Schatten. Es gibt ein ungemein starkes Gefühl, in der eigenen Familie gestützt und getragen zu sein. Die Kinder mit ihren Partnern sind da und Freunde kümmern sich um uns. Wir erleben Stimmungen, die Momente des Lebens zu Wechselbädern verwandeln: auf Trauer folgt Heiterkeit, auf Lust Frust, auf Wehmut Trotz, auf Resignation Widerstand - die Pole wechseln sich ab. Es ist unglaublich, in welchem Tempo sich Licht und Schatten jagen.

Aufklärung

Montag, 23. Juli 2007: Äusserst sorgfältig und hochkompetent orientiert mich der Chirurge über die Ausgangslage, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Die Operation wird auf Dienstag, den 31. Juli 2007 angesetzt. Er nimmt ein weisses Blatt Papier und beginnt farbig unterschiedlich den operativen Eingriff schrittweise und in einer völlig verständlichen Sprache aufzuzeichnen. Meine Fragen beantwortet er sachlich, klar, kompetent und so detailliert, wie ich es mir wünsche. Er orientiert mich ebenso über die möglichen Risiken und die Art und Weise, wie er darauf reagieren wird. Ich fühle mich sicher, in guten Händen. Es wird noch ein Blutuntersuch und ein CT vereinbart. Die Anmeldung an die Klinik erfolgt noch gleichentags. Die Termine in meiner Praxis setze ich für den Monat August aus.

Alle Ärzte, mit denen ich es zu tun habe, sind mir von meiner Tätigkeit her gut bekannt und vertraut, mit den meisten von ihnen bin ich per Du und freundschaftlich verbunden. Das erleichtert mir meine Situation sehr.

Bestätigung

Freitag, 20. Juli 2007: Mein Arzt ruft mich an und bittet um eine drigende Besprechung. Wir vereinbaren noch am gleichen Tag einen Termin zusammen mit meiner Frau. Da sitzen wir, noch etwas ungläubig und trotzdem erschüttert. Er erklärt uns eindringlich den Ernst der Situation und rät uns so oder so zu einer sofortigen Operation. Wir besprechen die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und übernehmen die Verantwortung, uns einen Chirurgen zu suchen. Er selber kann uns infolge Ferienabwesenheit nur noch bedingt helfen. Am gleichen Abend finde ich durch die Mithilfe eines befreundeten Anästhesisten meinen Wunschchirurgen. Wir vereinbaren eine erste Besprechung auf den Montagmorgen.

Die Konkretisierung und die Dringlichkeit erhöht die Welt der Gefühle rasant. Es steht uns ein turbulentes Wochenende bevor - eine Achterbahn der Gefühle.

Erstuntersuchung

Es ist Donnerstag, der 19. Juli 2007. Ein Routineuntersuch meines Dickdarms zeigt eine Sigmastenose erheblichen Ausmasses (T4). Es wurden 12 Biopsien entnommen und für die Histologie ins Labor geschickt. Die Mimik meines Arztes war deutlich, das was ich selber gesehen und noch kurz mit ihm besprochen habe genau so. Wir reden von einer krebsartigen Entartung in einem erheblichen Ausmass. Mit einem unsicheren Gefühl fahre ich mit dem Fahrrad nach Hause. Wirre Gedanken ziehen durch meinen Kopf. Ich arbeite zurzeit an einem Buch zum Thema "Über den Schatten springen - von der Entwirrung einer Krankheit durch Begegnung". Hauptthemen dieser Publikation sind die Übermittlung einer schlechten Nachricht, der Umgang des Arztes mit dem Patienten und die Breite Reaktionswelt der Gefühle. Meine Welt steht Kopf - kein Stein steht mehr auf dem andern!